Anfang der 80er Jahre wagte sich die Gemeinde vorsichtig auf internationales Parkett. Herr Studienrat Franz Werner vom Gymnasium Vaterstetten, uns aus der Schulzeit von unserer Tochter Sabine bestens bekannt, begab sich zunächst für ein Jahr auf Lehreraustausch nach Marseille in Frankreich.
Vor seiner Abreise hat Herr Werner unseren damaligen Bürgermeister Berger und mich im Rathaus gefragt, ob die Gemeinde nicht auch an einer Partnerschaft mit einer französischen Gemeinde interessiert sei. Wir zögerten zunächst, ob unserer fehlenden Sprachkenntnisse. Schließlich wollte sich Herr Werner dann doch mal in der Umgebung von Marseille umschauen. Unsere Freude hielt sich in Grenzen; er wird schon nicht gleich eine Partnerschaft finden.
Doch weit gefehlt. Bereits Ende April 1981 kam aus Allauch, einer uns noch unbekannten Stadt vor den Toren Marseilles, der Bürgermeister Roland Povinelli mit Gattin und dem Stadtrat Jean Aubert nach Vaterstetten angereist. Sie konnten sich gleich u.a. mit bayerischem Brauchtum vertraut machen, denn in Vaterstetten wurde gerade der Maibaum aufgestellt.
Bei ihrer Abreise (noch vom Flughafen München-Riem) erhielten wir als kleine Delegation, Herr Berger, Herr Werner, der frühere Gemeinderat Josef Hartmann und ich, die Einladung zum Gegenbesuch.
Mutig und selbstbewusst traten wir schon im darauffolgenden Oktober des Jahres 1981 unsere Reise an. Herr Berger und Franz Werner, mit dem Flugzeug über Paris nach Marseille und, kaum zu glauben, Josef Hartmann und ich alleine mit dem Auto. Nicht bedacht hatten wir beide, dass uns an allen drei Grenzübergängen – vom Schengener Abkommen noch keine Spur – in Österreich, Italien und Frankreich die gleiche aufreibende Prozedur erwartete. Der Zoll interessierte sich besonders an unserer Fracht im voll beladenen Auto. Wir hatten Fotoausrüstungen für unsere 4-köpfige Gruppe, jede Menge Gastgeschenke und ein Fass Bier im Gepäck. Konnten wir noch die Grenzbeamten von Österreich und Italien vom Zweck unserer Fahrt überzeugen, spätestens an der französischen Grenze ging dann absolut nichts mehr. Wir kamen uns wie die schwersten Schmuggler vor, wenn nicht Josef Hartmann die blendende Idee gehabt hätte, unseren Kollegen in Allauch Jean Aubert anzurufen und ihn um Hilfe zu bitten. Herr Aubert war zu der Zeit Zollbeamter in Straßburg und sprach gut Deutsch. So gelang es uns schließlich, mit seiner Hilfe und unter Vorzeigen des Briefwechsels der Gemeinde mit dem Bürgermeister von Allauch, dass wir nach etwa einer guten Stunde die Fahrt fortsetzen konnten. Wir wurden natürlich in Allauch schon längst erwartet und die Freude bei unserer Ankunft war riesengroß.
Für unsere beschwerliche Anreise sollten wir schon ab dem nächsten Tag entschädigt werden. Unser Hotel in einem Schloss in Aubagne bei Allauch war traumhaft und das Essen erste Güte. Zum allerersten Mal erlebte ich Marseille mit dem Fischerhafen, Notre-Dame de la Garde und den vielen Menschen unterschiedlichster Kulturen. Auf dem Programm standen insbesondere Besuche in Arles, San Rémy (Van Gogh), Les Baux und Aix-en-Provence. Der Geschäftsführer von Allauch, M. Erik Varschall kümmerte sich sehr geduldig um uns „Sprachmuffel“. Mit wunderbaren Erlebnissen und Eindrücken kehrten wir nach etwa einer Woche in unser ruhiges Vaterstetten zurück.
Offensichtlich waren unsere Erzählungen von einer „neuen Welt“ so beeindruckend, dass der Gemeinderat schon Anfang 1982 die Verschwisterung mit Allauch beschloss. Mit einem großen Fest in Allauch sowie in Vaterstetten wurden im Juni & Juli 1982 die offiziellen Partnerschaftsurkunden unterzeichnet. Mit den Vorbereitungen der Feierlichkeiten war ich voll dabei. Sie haben bei mir einen tief anhaltenden Eindruck hinterlassen.
Text aus 2008 von Gottfried Stelzl (*12.05.1940, †02.08.2024), der ein großer Förderer und Anhänger der Partnerschaft mit Allauch war.