Was sein muss, muss sein!

Eine ereignisreiche Partnerschaftswoche in Allauch war zu Ende gegangen, und wir nutzten unser Privatauto, um auf der Rückreise noch einen kleinen Abstecher zur Mutter unserer Gastgeberin einzuplanen, die wir gut kannten. Es sollte eigentlich nur eine Stippvisite werden, doch schon draußen stieg uns ein verführerischer Duft von Rosmarin, Thymian und Knoblauch in die Nase – Madame hatte es sich nicht nehmen lassen, für uns ein provenzalisches Mahl vorzubereiten.

Auf dem einladend gedeckten Tisch standen zu unserer Beunruhigung für jeden diverse Gläser bereit. Es war heiß, uns war nur nach erfrischendem Wasser zumute, nach nichts anderem.

„Wie bitte? Ihr wollt keinen Aperitif?“ Die Hausherrin war sichtlich irritiert und enttäuscht. So willigten wir etwas zögerlich ein, unser kühles Wasser mit einem ganz kleinen Schuss Pastis anzureichern, um unser Wiedersehen gebührend zu würdigen. Als wir jedoch weder zur Vorspeise noch zum Hauptgang Wein trinken wollten, sondern nur Wasser, da wirkte unsere Gastgeberin schon fast unglücklich. Natürlich war ihr klar, dass wir noch viele Autostunden vor uns hatten bis Vaterstetten – daher fügte sie sich traurig in ihr Schicksal. Angeregt berichteten wir von unserer schönen Woche in der Provence, in der uns das französische Komitee wieder verwunschene Orte, interessante Sehenswürdigkeiten und herrliche Strände präsentiert hatte, und von dem schönen Partnerschaftsfest als Abschluss. Wir waren uns einig, welch eine Bereicherung doch diese deutsch-französische Freundschaft für alle ist.

Schließlich kam der Moment der großen Käseplatte – immer ein Highlight bei den französischen Einladungen. Die Teller wurden ausgewechselt, das Baguette frisch aufgeschnitten und eine unglaubliche Auswahl köstlichen Käses stand vor uns. Das war der Moment, wo die Verzweiflung unserer Gastgeberin Überhand gewann: Es brach förmlich aus ihr heraus: „Und jetzt MÜSST ihr Rotwein trinken!“ Wir waren so perplex über diese Vehemenz, dass wir lachend zusahen, wie unsere Gläser zumindest halb gefüllt wurden; das strahlende Gesicht unserer Gastgeberin beim Klang der Kristallgläser sagte alles: Die Welt war wieder in Ordnung.

Dass dies das einzige kleine Glas blieb und wir vor der Weiterreise noch eine längere Kaffeepause einlegten, versteht sich von selbst. Und dass Käse ohne Rotwein gar nicht geht, das auch – denn was sein muss, muss sein!

Der wundersame Wandergesell

Südfrankreich bietet herrliche Möglichkeiten für ausgiebige Wandertouren, und so war ich vor etwa 15 Jahren dort oft unterwegs. Da ich relativ gut Französisch spreche, freute ich mich sehr, eines Abends mit einem Einheimischen ins Gespräch zu kommen. Er hieß Guy, kam aus Allauch und wollte zu den Pyrenäen wandern. Er berichtete mir von der wunderbaren Städtepartnerschaft mit Vaterstetten – seine ersten Gastgeber waren enge Freunde geworden, mit denen er sogar gemeinsam durch die USA gereist sei. Alles war so interessant, dass ich Guy spontan fragte, ob ich ihn ein paar Tage begleiten dürfe und ob er allein unterwegs sei. Ehrlich gesagt, verstand ich seine Antwort aufgrund des südfranzösischen Akzentes nur ungenau. Dass ich ihn begleiten durfte, ergab sich aus seinem erfreuten Nicken. Aber aus allem weiteren wurde ich nicht ganz schlau. Er sprach von seiner Frau, die ihm regelmäßig Pakete zur Stärkung schickt, die ihn täglich anruft, um ihn „ans Loben zu erinnern, denn ohne Kraftnahrung und ohne Lob geht gar nichts“. Ich tröstete mich damit, dass wir ja nun mehrere Tage zusammen wandern und mir schon noch ein Licht aufgehen würde.

Als ich am nächsten Morgen zum Treffpunkt kam, wurde alles klar: Nein, er war nicht allein, er hatte jemanden dabei, der viel Lob und Kraftnahrung brauchte: einen Esel! Seit seiner Wanderung nach Santiago de Compostela hatte er beschlossen, dass er sein schweres Gepäck nicht mehr allein tragen wollte, und da er in den Hügeln von Allauch ein kleines Häuschen mit Garten besaß, war ein schöner Platz für den Esel gesichert.

Wir verbrachten 3 wunderbare Tage miteinander, der Esel trug unsere Rucksäcke, wurde gelobt und kraftgefüttert, verlangte dennoch immer wieder Rücksichtnahme auf seinen eigenen starken Willen. Welch unvergessliches Erlebnis! Ich erfuhr auch von Guys nächstem Projekt: Er wollte mit seinem haarigen Freund nach Vaterstetten wandern, von dort sollte ihm jemand entgegenkommen, um dann gemeinsam mit ihm die Partnerstadt zu erreichen. Wie ich später hörte, konnte diese Tour aus Gesundheitsgründen nicht realisiert werden, was Guy extrem bedauerte! Noch heute bin ich in Kontakt mit Guy und inzwischen auch mit dem Partnerschaftsverein in Vaterstetten. Ich würde meinen Wanderfreund auch gerne einmal wiedersehen, aber Guy meint, es sei besser, sich so jung wie damals in Erinnerung zu behalten…

Schlafcouch mit Familienanschluss

Das Typische an den Partnerschaftsreisen ist die Unterbringung bei Privatfamilien, und das ist immer spannend: Kennt man sich schon? Hat man ein eigenes Zimmer oder teilt sich eines mit einem/einer Mitreisenden? Wohnt man in einem Haus oder einer vielleicht kleinen Wohnung, wo die Wohnzimmercouch zum Gästebett wird? Erst bei der Ankunft wird dieses Rätsel gelöst, aber eines ist schon vorher sicher: Alle Gastfamilien hier und in Allauch sind mit dem Herzen für die deutsch-französische Freundschaft engagiert und kümmern sich liebevoll um ihre Gäste, und darauf kommt es an! 

So kam ich einmal zu einem ausgesprochen netten jungen Ehepaar, wo ich herzlichst empfangen wurde. Jeden Abend unternahmen sie etwas mit mir in Marseille, sie waren unglaublich engagiert und zugewandt. Ihre Wohnung war sehr klein, aber sie hatten sich spontan entschlossen, ihre Wohnzimmercouch als Gästebett zur Verfügung zu stellen. Kein Problem für mich – eigentlich. Doch in dem besagten Jahr wurde allabendlich eine Fußballmeisterschaft im Fernsehen übertragen und der Hausherr war ein großer Fan. Was tun? Der Fernseher stand im Wohnzimmer! Natürlich habe ich mich nicht getraut, meine Müdigkeit zu zeigen, denn nach dem schönen Ausflugsprogramm, dem üppigen Abendessen mit Aperitif und gutem Wein spürte ich schon eine gewisse Bettschwere, lange bevor das Spiel zu Ende war. 

Doch ein guter Gastgeber spürt das Unbehagen seines Gastes und findet eine Lösung für alle:
Vom 2. Abend an schlief er selber auf der Couch und ich bei seiner Frau im Eheschlafzimmer, das getrennte Betten hatte. Die nächtliche Überraschung war allerdings sehr unerwartet:
Der Terrier der Familie, sprang zu mir ins Bett – denn dort schlief er schließlich immer bei seinem Herrchen!