Die Geburt der Partnerschaft

Ein Beitrag von Wilfried Gillmeister

Was in den 70er Jahren als sich langsam aber stetig ausweitender Schüleraustausch zwischen den Gymnasien von Vaterstetten und Aix-en-Provence entwickelte, sollte zum Wechsel in das neue Jahrzehnt von Vaterstettener Seite in das Bedürfnis, das Leben in unserer Gemeinde attraktiver zu gestalten, in Form der gezielten Suche nach einer geeigneten Städtepartnerschaft mit einer vergleichbaren französischen Gemeinde münden.
So kam der damalige Organisator des Vaterstettener Schüleraustausches, Studienrat Franz Werner, im Frühjahr 1981 mit der frohen Kunde, nördlich von Marseille fündig geworden zu sein, ins Rathaus Vaterstetten. Aufgrund seiner im laufe der Jahre gewachsenen zahlreichen Kontakte erhielt Franz Werner von Anne-Marie Bost den entscheidenden Hinweis auf Allauch. Nicht nur das: Er brachte sogleich eine Einladung an die Handball-Männermannschaft des TSV Vaterstetten mit, zum Pfingstturnier nach Allauch zu kommen.

Gleichzeitig nahm der damalige Bürgermeister Martin Berger die Gelegenheit wahr, seinen Allaucher Amtskollegen Roland Povinelli zum Tanz um den Maibaum der Vaterstettener Feuerwehr zu laden. Was für ein Fest! Vaterstetten zeigte sich von seiner eindruckvollsten Seite, alles, was zur Maibaumaufstellung dazugehört wurde aufgeboten, und der Landwirt Hans Luft räumte und öffnete seine große Gerätehalle für ein zünftiges Tanzfest. Vaterstetten ließ es bajuwarisch krachen, was das Zeug hielt. Das Ehepaar Povinelli mit Begleitpersonal war beeindruckt von der spontanen Gastfreundschaft, und Josef Hartmann, der erste Vorsitzende des Vaterstettener Komitees, ließ sein Bauunternehmen für ein paar Tage im Stich, um den französischen Gästen unser geliebtes Oberbayern von der schönsten Seite zu zeigen.

Ebenso überwältigt von den ersten Eindrücken kam die Handball-Männermannschaft des TSV eine Woche später aus Allauch zurück. Nicht nur sportliche Erfolge und Santons als Gastgeschenke im Gepäck, sondern das sichere Gespür für die aufrichtigen und festen Absichten auch bei den Bürgern von Allauch hinsichtlich einer gemeinsamen Partnerschaft wurde als Signal ins Rathaus weitergegeben.

In Vaterstetten sollte die positive Stimmung genutzt und intensiviert werden. Nach einem offiziellen Gegenbesuch der Vaterstettener Gemeindeverwaltung in Allauch lud die VHS Vaterstetten die Bürgermeister Dresel von Grasbrunn und Schneider aus Neubiberg ein, um deren Erfahrungen mit schon bestehenden Partnerschaften in unsere Vorbereitungsaktivitäten einzubringen.
Französischkurse erlebten in der Folgezeit eine ungeahnte Renaissance. Die Sportler des TSV Vaterstetten bereiteten sich für den Besuch von 55 Bürgern zu Ostern 1982 vor. Ziel dieser Begegnung war vor allem, die französischen Gäste in die Vaterstettener Familien hineinzubringen, damit die Partnerschaft schon im Vorfeld von vielen Bürgern getragen wird und der Eindruck einer Partnerschaft „von oben“ gar nicht erst entstehen sollte.

Für unsere französischen Freunde war die damalige erste große Begegnung ein wahrer Härtetest. Weißwürste und Schweinsbraen wurden mit nicht immer gleicher Begeisterung vertilgt, Gemeinderat Claude Guibert erlernte die Kunst des „Ozapfns“, Schuhplattler und Goaßlschnalzer in kracherten Lederhosen sorgten beim Mairsamer in Pöring für den Rahmen erster Fraternisierungsversuche. Und so nebenbei wurde im Gymnasium in der bei Handballfesten typischen Stimmung Sportliches geboten.

Nach dieser Begegnung war eines sicher: beide Gemeinden freuten sich auf den Abschluss des Partnerschaftsvertrages, der aus der Bürgersicht eigentlich nicht mehr nötig war. Die Jumelage lebte schon!

Das erste Bierfest in Allauch

Anfang Juni 1985 fand das erste Bierfest in Allauch statt. Eine Bigband unter Leitung von Helmuth Mußer reiste in die provenzalische Partnerstadt. Damals konnte noch niemand ahnen, dass sich daraus eine Tradition entwickelt, die bis heute ihren Fortbestand mit der Ammerthaler Blasmusik hat, die nun auch schon über 20 Jahre das Allaucher Publikum begeistert.

Günter Glier erinnert sich an die Anfänge:

Zuerst ein paar Worte zu Helmuth Mußer: Ich fand ihn einfach genial. Er brachte es fertig, aus seinen eigenen Musikschülern und denen seiner Söhne eine Jugend - Bigband aufzubauen. Und nicht nur das, er arrangierte die Stücke so geschickt, dass er aus der verfügbaren Besetzung (Klarinetten, Querflöten, Trompeten, Posaunen) einen Klang herausholte, der die bekannten Highlights sehr treffend wieder gab. Ich selbst bin mit meiner Bassgitarre als „Quereinsteiger“, noch dazu etwas älteren Baujahres, in die Band eingetreten. Dabei war auch Manfred Guist (Schlagzeug) und später Andreas Ruoff (Gitarre), der gemeindliche Standesbeamte. Wir stellten zusammen die Rhythmusgruppe.

Irgendwann wurde bekannt, dass wir für das allererste Bierfest in Allauch erwünscht waren und die Vorbereitungen drängten. Dazu gehörte auch die Übung, während des Marschierens Musik machen zu können. Plötzlich tauchte aus dem Nichts eine riesengroße Trommel auf, die vom Apotheker am Bahnhof Vaterstetten gespendet war. Da es nicht möglich war, während des Marschierens mit der Bassgitarre zu spielen, fiel das Los auf mich. Eine sehr unangenehme Aufgabe, es fehlte nämlich das Tragegeschirr. Also kurzum einen breiten Gürtel in das Gestänge eingehakt und auf ging’s zum Proben auf der Reitsberger - Wiese. Ein ganz neues Geh-Gefühl! Vor dem Bauch die große Trommel, obendrauf das Becken für die scharfen Klänge und ein dicker Klöppel zum Draufhauen! Als ich wieder zu Hause war, konnte ich mich eine Stunde lang nicht mehr bewegen, so hatte mich der Gürtel am Nacken eingedrückt. Allmählich lernte ich, die Trommel während des Marschierens ohne Musik mit den Händen etwas anzuheben, dann war die Last erträglich.

Und dann hieß es: Wir fahren nach Allauch, dort wird ein Bierzelt im aufgelassenen Steinbruch aufgebaut und es soll ein Bierfest à la Bavaria veranstaltet werden! Das bedeutete aufmerksames Proben, damit wir uns nicht blamieren und den Franzosen reine Klänge zum süffigen Bier anbieten können. Unser Repertoire bestand nämlich aus drei Teilen: Den bekannten Stücken aus der Nachkriegszeit, die amerikanisch dominiert waren, dann etliche Märsche samt klassischer Musik und den so genannten „Oberkrainern“, das war die zünftige Musik, genau für das Bierfest geschaffen.

Schließlich war es so weit: Wir stiegen in den Bus und fuhren die Nacht durch, das war damals so üblich, auch übel! Eingeklemmt zwischen den Sitzen, deren Lehnen auf „Ruhen“ gestellt waren und dem Schaukeln der Karosse und dem Gaswechseln des Fahrers ausgeliefert. Wer es besonders bequem haben wollte, legte sich bretteben auf den Boden des langen Durchgangs. Dort war der „Pulsschlag“ der Antriebsmechanik krachend (der Gang muss hörbar einrasten!) und röhrend Vertrauen erheischend zugange. Da wusste dann am Morgen jeder, was „gerädert“ in unserer Zeit bedeutet!

Am Nachmittag vor dem Bierfest sollten wir die Leute in Allauch auf das große Ereignis aufmerksam machen und marschierten deshalb blasend und trommelnd durch den Ort. Ich erinnere mich noch gut daran, dass in einer Musikpause wir an einer langen Eingrenzung aus Eisenstäben vorbei kamen und zwei gefährlich erscheinende Hunde uns ankläfften. Da nahm ich meinen dicken Klöppel, zog mächtig auf und drosch einen kräftigen Schlag auf die Trommel. Und siehe da, die beiden Großmäuler jaulten auf und verschwanden schnurstracks hinter dem Haus.

Nun zum Bierfest selbst: Es war ein erstaunlich großes Zelt aufgebaut, mit Hend’l-Braterei und den unverzichtbaren Bierfässern. Der Eintrittspreis war mit 100 Franc bombastisch, das waren immerhin so 35 DM, allerdings inklusive eines halben Brathend’ls und einer Maß Bier. Das hielt die Franzosen aber nicht ab, das Zelt wurde nach und nach total voll und wir spielten auf der großzügigen Bühne zunächst Märsche und die Stücke mit Bigband-Sound, was mit „In the Mood“ gipfelte. Das Publikum klatschte, aß die Hend’l und stürzte so manche Maß hinunter. Dann kam Freude auf, als wir auf die „Oberkrainer“ umsattelten.

Dazu folgende Beschreibung: Im Bereich vor der Bühne, also zwischen uns und den dicht gedrängten Leuten, war ein provisorischer Bretterboden ausgelegt, um den heißblütigen Freunden das Tanzen zu ermöglichen. Dieses Angebot wurde sehr dankend angenommen und dann geschah etwas völlig unerwartetes. Das Stampfen und Hüpfen auf den Brettern führte zu einer Art pneumatischer Pumpe. Der Sandboden des Steinbruchs erlebte seine Große Stunde und stieg in beachtlichen Schwaden durch die Ritzen des Bodenbelags nach oben. Innerhalb kürzester Zeit baute sich eine Staub-Barriere zwischen uns und den Biertischen auf. Erst nach einer längeren Pause zwischen den Musikstücken legte sich der Nebel wieder. Am Ende kam einer der musikalischen Höhepunkte auf mich selbst zu: als Solist am Xylophon hatte ich die Ehre, gemeinsam mit der Kapelle eines der Bravourstücke aufzuführen, nämlich den „Zirkus Renz“ ein sehr heftiges und für mich „arbeitsreiches“ Stück. Nach dem gelungenen Auftritt konnte ich den restlichen Abend entspannt weiter musizieren.

Eine Trompete bringt Frösche zum Schweigen

Es war in jenen frühen Jahren der Partnerschaft, als das Vaterstettener Bläserensemble (oder Bläserconsortium, wie es sich später nannte) noch 25 Buben und Mädchen umfasste. Regelmäßig während der Pfingstferien machte sich das Ensemble gemeinsam mit ihrem Maestro Helmuth Mußer nach Allauch auf. Bei jedem Besuch lag eine turbulente Woche vor ihnen, mit täglichen Musikdarbietungen: beim großen Begrüßungsfestessen im „Grande Salle de l’U.A.S.“, als Bigband bei der Fête de la Bière, im Freien auf dem Platz vor dem Rathaus, in Kirchen und Schulen in Allauch und Logis-Neuf, in Marseille und sogar in Aix-en-Provence.

In einer lauen Juninacht – das feierliche Konzert in der Kirche St. Sébastien mit deutsch-französischer Gemeinschaftsdarbietung von Beethovens Hymne an die Freude war nach viel Applaus und den obligatorischen Lobreden um Mitternacht zuende gegangen – fanden wir uns bei Freunden in Château Gombert, einem Vorort von Marseille, auf der Gartenterrasse wieder. Ich weiß nicht mehr, wer alles dabei war. Jung und alt, französisch und deutsch – es war eine bunte und fröhliche Gesellschaft. Tische wurden zusammengerückt, der Hausherr sorgte für Wein. Und während die Gastgeberin noch die Zutaten kredenzte – Käsewürfel, französische Salami, Oliven und andere kleine Köstlichkeiten – waren schon muntere Gespräche in Gang gekommen.

Nach so einem erfüllten Tag konnte nicht jeder für sich nach Hause gehen. Zu sehr waren alle nach dem Konzert noch „aufgeladen“, unter den Musikern war Manöverkritik angesagt und die Einheimischen hatten sowieso immer etwas Lustiges auf Lager. Doch zu so einer Sommernacht am Rande Marseilles gehört noch mehr: In den Platanen über uns zirpten die Grillen, untermalt vom dumpfen Brausen des nahen Großstadtverkehrs. Und im Gartenteich neben uns quakten viele Frösche. Es war eine gleichmäßige Lautkulisse, die aber niemand bewusst wahrnahm.

Bald ging ein Instrument von Hand zu Hand: Der Sohn des Hauses hatte das Flügelhorn seines Urgroßvaters herbeigeholt, ein Erbstück der Familie, um es Helmuth Mußer zu zeigen. Unsere provenzalischen Freunde hatten schon einige Lieder gesungen und gerade ein neues angestimmt. Was also lag näher als dass Helmuth Mußer die gute alte Trompete in Aktion zu setzen hatte. Er zierte sich zwar zunächst noch ein bisschen, aber dann stand er auf, und die ersten Töne zu einem Kabinettstück aus seinem unerschöpflichen Repertoire stiegen dem klaren Sternenhimmel entgegen. Im Hintergrund wurde es schlagartig still: die Frösche hatten aufgehört zu quaken. Erst jetzt bemerkten wir, dass es sie gegeben hatte. Die französischen Trinklieder hatten sie vorher mitnichten zum Einhalten bewogen. Das Trompetensolo war zu Ende, tosender Applaus, wieder Gespräche, Lachen, deutsch-französischer Lärm – aber die Frösche blieben still. Erst Minuten später, das Flügelhorn lag wieder auf dem Tisch, ging das Froschkonzert nach und nach wieder los, erst ein einzelner, dann wenige, dann wieder alle. Das Experiment wurde noch einmal wiederholt. Die Frösche lauschten andächtig zu Helmuth Mußers Trompetenklängen. Das Fest ging weiter:

Boire un petit coup c’est agréable,
boire un petit coup, c’est doux.
Mais il ne faut pas rouler dessous la table.
Boire un petit coup c’est agréable,
boire un petit coup, c’est doux.

... so bis in die frühen Morgenstunden.

Es gäbe noch viel zu erzählen: vom Strandleben in Cassis, von Ausritten und Stierkämpfen in der Camargue, vom Pont du Gard und Nîmes, von Arles, Avignon und Les Beaux und vom Picknick in Géménos. Leider auch davon, dass die Probenarbeit des Bläserconsortiums Vaterstetten vom tragischen Krebstod Helmuth Mußers im Mai 1986 überschattet wurde. Zur Beisetzung war eine Abordnung aus Allauch angereist. Sein Sohn Peter, und danach ein anderer Vaterstettener Musiker, Philipp Maas, betreuten in den darauffolgenden Jahren die jungen Bläser und ihre Konzerte daheim und bei ihren Auftritten in Allauch.

Die Partnerschaft hat schöne und traurige Ereignisse erlebt, sie hat uns alle, die mitmachten, angerührt, hat viele neue Bekanntschaften und nicht wenige Freundschaften fürs Leben hervorgebracht. Fürs angehende vierte Jahrzehnt wünsche ich ihr weiterhin Wachsen, Blühen und Gedeihen.

Im Bus das erste Mal nach Allauch

Ein Beitrag von Anna Föstl

Drei Jahrzehnte ist es nun her, da machte die Gemeinde Vaterstetten einen Aufruf an die örtlichen Vereine, wer denn gerne  zur Gründung einer Städtepartnerschaft mit zwei oder drei Personen an einer Busreise nach Südfrankreich teilnehmen möchte (Sprachkenntnisse nicht erforderlich). Allauch (sprich: Alloo) würde der Ort heißen, ganz nahe bei der großen Hafenstadt Marseille gelegen. Allauch sagte mir zwar nichts, aber eine Woche Südfrankreich das hörte sich doch gut an. Und wenn ich mich dann später im Bus so umschaute, war ich sicher nicht die Einzige die so dachte.

Die meisten Leute kannten sich über das Vereinsleben in der Gemeinde, und so kam auf der Hinfahrt bereits eine prächtige Stimmung auf. Nach 14 Stunden Busfahrt kamen wir müde und doch mit äußerst gemischten Gefühlen in Allauch an. Was wird uns da wohl erwarten? Wie sind die Franzosen uns Bayern gegenüber eingestellt? Man versuchte den Gedanken zu verdrängen, aber schließlich haben wir alle in der Schule über den Verlauf des Krieges gelernt und befürchteten doch Ressentiments uns gegenüber.

Rückblickend betrachtet war es für den Auftakt der Partnerschaft sicher das Beste, dass wir vom Gemüt her doch eher etwas zurückhaltende Bayern erst mal in Südfrankreich zu Gast waren. Wir warteten halt einfach, wie man dort mit uns umgehen wird. Unser Bus passierte das Ortsschild und wir freuten uns, ein so malerisches Städtchen eingebettet zwischen – die Franzosen nennen es Berge, für uns Bayern wohl eher Hügel zu entdecken. Wir steuerten auf einen großen Platz unterhalb des Friedhofs zu.
Dort hatten sich bereits alle unser Gastgeber zum Empfang versammelt. Grüne Flaschen und Schnapsgläser hatten sie in den Händen, und zur Begrüßung musste jeder gleich ein Stamperl Pastis trinken. Wie in Bayern üblich, wollten wir die neuen Freunde mit einem freundlichen "Grüß Gott" und einem festen Händedruck begrüßen. Aber so weit kam es erst gar nicht. Die erste Welle südländischen Temperaments schwappte uns entgegen, voller Herzlichkeit und völlig unkompliziert. Von wegen die Hand zum Gruß reichen?! Jeder wurde von jedem umarmt und bekam ein „baiser“ rechts und ein „baiser“ links. Auf gut bayrisch, obbusslt hams uns! Und keiner kam ihnen aus. Angefangen bei unserem damaligen Bürgermeister Martin Berger bis hin zum Schützenmeister, dem Sepp Maier aus Neufarn (der sich allerdings als erster an diesen neuen Gruß gewöhnte).

Die Herzenswärme, die uns da entgegen kam war sicher noch wärmer als die Sonne über Allauch. Unsere bayrische Zurückhaltung hielt sich da auch nicht mehr lange. Bereits am nächsten Morgen begrüßten sich die Vaterstettener mit „ça va“ und „baiser links und baiser rechts“, wie sie es gelernt haben. Als wir eine Woche später zu Hause von unseren Familien und Freunden abgeholt wurden, wollten diese es kaum glauben: Sie trafen auf die erste "Bussi Bussi" - Gesellschaft von Vaterstetten.

Schüleraustausch

Ein Beitrag von Ilse Kuderna und Hannelore Beier-Endl

“Freundschaft zwischen Kindern ist natürlicher und ohne Hintergedanken!”
Das sagte Odile Kelbel 1986, sie gilt mit Arlette Jailliard als Mutter des Austausches auf französischer Seite.
Treffender kann nicht gesagt werden, was sich in den 26 Jahren Schüleraustausch immer wieder bewahrheitet hat. Egal ob sich Grundschüler, Realschüler oder Gymnasiasten auf den Weg nach Allauch machten - alle kamen mit Eindrücken wieder nach Hause, die sie als “unvergesslich“ bezeichneten.

Den Anfang machten Schüler der Grundschule Logis Neuf in Allauch. Bis 1998 kamen in jährlichem Wechsel interessierte Schüler in die jeweilige Partnergemeinde und erkundeten das “Neuland.” Die französischen Behörden machten dann einen weiteren Austausch von Grundschülern unmöglich. So reisten unsere Schüler ohne die Aussicht auf einen Gegenbesuch nach Allauch. Sie konnten sich seit dem Schuljahr 1993/94 im Wahlfach Französisch intensiv auf den Austausch vorbereiten, und erst 2004, als Englisch Pflichtfach an Bayerns Grundschule wurde, musste dieser Unterricht eingestellt werden.

Bis 2004 fanden 175 Grundschüler aus Vaterstetten Gasteltern in Allauch, 2003 und 2004 wohnte die Gruppe in der Jugendherberge in Marseille, 2005 und 2006 “residierten“ die Schüler mit ihren Lehrerinnen und dem Busfahrer im Gästehaus in La Ciotat.
Die Vaterstettener Realschule hatte seit 1996 ein Austauschprogramm mit dem Collège Yves Montand.

Einen direkten Austausch mit Allauch konnte das Gymnasium nie beginnen, da es diese Schulform dort nicht gibt. Ein ganztägiger Besuch in der Partnergemeinde stand aber immer auf dem Programm, wenn die Schüler in Marseille, Aix oder Bagnols waren.

Nach dieser nüchternen Darstellung des Austausches sollen einige Schüler mit ihren Berichten zu Wort kommen:

Nach einem Austausch im Jahr 2008 gab es bei einem Gymnasiasten folgenden Tagebucheintrag:
Am letzten Tag, dem 7. Juli 2008 machte sich der Bus mit 40 Jugendlichen auf den Weg zur Partnergemeinde. Das Ortsschild “jumelé avec Vaterstetten“ wurde mit Applaus bedacht. Wir besuchten die “place de moulins”, die örtliche Nougatier und die Kapelle Notre Dame. Unterwegs kamen wir am “Orakel von Allauch” vorbei. Das ist ein Torbogen, in dem früher einmal eine Heiligenstatue gestanden hat. Heute versuchen Jugendliche kleine Steine in die Vertiefung zu werfen. Die Anzahl der benötigten Würfe bis ein Stein liegenbleibt soll angeben, wie viele Jahre es noch dauert bis man heiratet. Auch wir versuchten unser Glück, einige schauten aber recht entsetzt nach einer guten Wurfleistung, schließlich waren die meisten von uns erst vierzehn Jahre alt...

Eine Grundschülerin erzählte nach ihrer ersten Reise ohne Eltern ganz begeistert:
In der Familie war es toll, wir konnten abends ganz lange aufbleiben. In der Schule haben wir gerechnet und gebastelt - die haben keinen Pausengong, wenn die Lehrer meinen der Unterricht soll weitergehen läuteten sie mit einer großen Glocke, manchmal hatten wir schön lange Pausen. Toll waren unsere Ausflüge. Mir hat die Fahrt mit dem Schiff zum Chateau d'If besonders gut gefallen. Auch das Schulfest war toll, doch bei uns gibt es viel mehr Spiele für die Kinder...
Auch für die Lehrerinnen brachten die Tage des Austauschs - trotz großer Verantwortung zu Land und im Wasser - viele schöne Augenblicke, neue Sicht auf die Schüler und Freundschaften, die nun schon viele Jahre halten.

Echte Freunde

Mein neunjähriger Sohn Jan und ich wohnten bei unserem ersten Allauchbesuch bei Nathalie und Gerald Ambrosino. Die beiden haben zwei Söhne Adrian und Axel, von denen einer ein Jahr jünger als Jan und der andere ein Jahr älter als Jan ist. Die drei Buben verstanden sich auf Anhieb gut und obwohl weder Jan französisch noch die anderen beiden deutsch sprachen, fanden sie eine gemeinsame Ebene der Verständigung. Manchmal sprach Jan in Ermangelung der Sprachkenntnisse deutsch mit französischem Tonfall und Adrian und Axel antworteten ganz verständig "oui, oui" und nur in Ausnahmefällen kamen sie, um sich etwas übersetzen zu lassen.

Eines Abends, es war schon spät  - wir Erwachsenen hatten die Kinder schon lange zu Bett gebracht und hatten anschließend noch ein Glas Wein getrunken –  und wir wollten nun auch zu Bett gehen, denn am nächsten Morgen wartete auf meine Gastgeber der Büroalltag und auf mich ein spannendes Ausflugsprogramm. Ich schaute, wie zuhause auch bevor ich zu Bett ging, in Jans Zimmer, ob alles in Ordnung ist. Doch, Jans Bett war leer und Jan war nirgends im Zimmer zu finden. Sofort machten Nathalie, Gerald und ich uns auf die Suche, denn eigentlich konnte er ja nicht weit sein und siehe da: Wir fanden sie alle drei friedlich zusammen schlafend in Adrians Bett. 

Als wir nach einem innigen und herzlichen Abschied nach Deutschland zurückgefahren sind, sagte Jan ganz stolz zu mir: „Mama, ich habe in Frankreich Freunde!“

Jan, der zuvor noch nie in Frankreich gewesen ist, war von Frankreich als Land begeistert. Und es war für ihn ein Ansporn, sich auf die Klasse zu freuen, in der er dann endlich französisch lernen darf, um sich mit seinen Freunden noch besser unterhalten zu können. Und er freut sich jedes Jahr darauf, seine französischen Freunde endlich wieder zu sehen.

Unser erstes Mal (Trachtler in Allauch)

Ein Beitrag von Markus Föstl

Zusammen mit dem Trachtenverein „G.T.E.V. d‘ Stoabergler Gelting e.V“ und der Ammerthaler Blasmusik machten wir uns 2003 zum ersten Mal auf ins schöne Provencestädtchen Allauch in Südfrankreich. Ich, mit meinen 12 Jahren, hatte keine Ahnung was mich erwartet. Lediglich hatte ich gehört, dass es ein traditionelles Bierfest am letzten Samstag im August geben wird.

Aber nun von Anfang an: Zu Beginn des Jahres kam die Anfrage von der Gemeinde an die Jugend unseres Trachtenvereines „H.u.V.T.V Brünnstoana München “ ob wir nicht Lust hätten, zusammen mit der Ammerthaler Blasmusik und den Geltinger Trachtlern in die Partnerstadt der Gemeinde Vaterstetten nach Allauch zu fahren. Mit dem Hintergedanken ein paar Tage in der südfranzösischen Sonne zu verbringen und ab und zu unserer Leidenschaft dem Schuhplatteln nachzugehen, bejahten wir diese Anfrage natürlich sofort!

Gut zwei Monate vor der geplanten Abfahrt probten wir zusammen mit den Geltingern altbewährte Volkstänze und übten gleichzeitig neue ein. Nach ein, zwei Proben zusammen mit der Ammerthaler Blasmusik waren wir startbereit. Die Koffer wurden gepackt, noch ein Trachtenhemd reingelegt und los gings.

Vor der Parsdorfer Grundschule war - gemäß der französischen Tradition mit einer halben Stunde Verspätung - dann endlich Abfahrt für die große Reise. Für einen Teil von uns war das der erste Urlaub ohne die Eltern. Doch um dem Heimweh vorzubeugen und die Aufsicht zu gewährleisten erklärten sich unsere Jugendleiter Franze und Erna Glaser bereit, mit uns diese Reise anzutreten.

Nach einer für uns ewigen Busfahrt kamen wir endlich an. Die älteren bzw. die „Alten-Hasen“ unter uns wurden sofort von den uns empfangenden Franzosen herzlichst begrüßt. Auch wir wurden von den Franzosen natürlich innigst willkommen geheißen. Für uns war es jedoch eine neue Erfahrung, wildfremde Menschen mit zwei Wangenküssen zu begrüßen. Äußerst gewöhnungsbedürftig. Die Aufteilung in die Gastfamilien erfolgte paarweise. Die erste Nacht bei der Gastfamilie. Es war schön die anderen am nächsten Morgen am Bus wieder zu sehen. Zahlreiche, vom Komitee organisierte und geleitete Ausflüge, ließen uns die Provence näher kennen lernen.

Dann der erste große Moment: Beim Partnerschaftsfest kamen wir Bayern und die ortsansässigen Franzosen sowie die Freunde der Partnerschaft zusammen. Wir meisterten zusammen mit den Geltingern und den Ammerthalern unseren ersten Auftritt.
Noch ein paar Badeausflüge und dann… .

Es wurde Samstagabend und die Aufregung war uns ins Gesicht geschrieben. In Volltracht stiegen wir in das Auto ein und fuhren zur Sporthalle. Los geht’s. Nach unserem provenzialischen Abendessen ging es nochmals hinaus. Unsere Begleitung Erna und Franze richteten uns endgültig sauber her. Zusammen zogen wir in die vollbesetzte, zum Festzelt umgebaute Sporthalle ein. Und gleich gab es den ersten Auftritt.
Die Ammerthaler spielten unermüdlich und wir machten in regelmäßigen Abständen unsere Auftritte. Gegen 1 Uhr morgens waren wir dann alle geschafft und freuten uns auf unser Bett. 

Doch dann hieß es bald wieder aufstehen. Am Sonntag fand die traditionelle Allauch - Village Besichtigung satt. Nach einem gemeinsamen Mittagessen in der Gastfamilie hieß es aber dann schon bald Kofferpacken und ab zum Bus. Die Heimreise wurde, wieder mit der französischen „Pünklichkeit“, nach einer langen Abschiedsprozedur angetreten.

An dieser Stelle möchten wir uns bei dem französischen Komitiee sowie den Gastfamilien für die seit Jahren herzliche Aufnahme und abwechslungsreiche Organisation bedanken. Ein großer Dank gilt auch unseren ehemaligen Jugendleitern Erna und Franz Glaser, welche uns bis wir alt genug waren nach Frankreich begleitet haben und auch jetzt von zu Hause aus uns jederzeit mit Rat und Tat bei Seite stehen.