Fast jedes Jahr kommen im Juli unsere Freunde aus Allauch mit dem Bus nach Vaterstetten. Dann werden sie mit Brezn begrüßt, auf die Gastfamilien verteilt und eine schöne Woche mit Ausflügen und Festen liegt vor uns.
Doch es kann auch anders laufen! Für 20 Personen hatte sich in jenem Jahr ein Bus nicht rentiert, also kamen unsere Gäste mit dem Flieger von Marseille nach München. Wir beschlossen, sie am Flughafen abzuholen und gemeinsam mit der S-Bahn nach Vaterstetten zu fahren, Umstieg am Rosenheimer Platz. Am Flughafen verteilten wir uns im zweiten Waggon der S2 auf die freien Sitzplätze. Die Fahrt verging wie im Fluge, denn es gab unendlich viel zu erzählen. Als wir dann irgendwann riefen, dass nun beim nächsten Halt umgestiegen wird, schreckten unsere Freunde hoch und eilten zu ihren Koffern, die sie im Pulk zusammengestellt hatten. Dadurch befand sich fast die gesamte Reisegruppe vor einer einzigen Tür, als diese aufging. Jeder griff hektisch nach dem Koffer und drängte hinaus, um bloß den Anschluss nicht zu verlieren. Mitten in diesem Gewusel ertönte plötzlich der Aufschrei eines unbekannten jungen Mannes: „Mein Koffer!“ Und er, der gar nicht hatte aussteigen wollen, zwängte sich noch blitzschnell durch die sich bereits schließende Tür nach draußen und stürzte sich auf einen Koffer inmitten der Franzosengruppe. Schnell klärte sich alles auf – eine unserer Freundinnen hatte den falschen Koffer gegriffen! Zum Glück nahm der junge Mann es mit Humor, sagte auf Französisch „pas de problème“ – kein Problem – und wartete einfach auf die nächste S-Bahn.
Aber nun herrschte große Aufregung: Wo war denn der Koffer unserer Freundin? Tja, es gab nur eine Möglichkeit: Er war wohl in der S-Bahn geblieben, war allein auf Reisen gegangen, wohin auch immer. Wir beschlossen, dass alle außer mir nach Vaterstetten fahren sollten – ich hingegen machte mich auf die Suche nach dem guten Stück. Von einem MVV-Mitarbeiter kam die Auskunft: „Entweder wird der Koffer unterwegs entwendet, oder er fährt mit bis Pasing und von dort zum Fundbüro am Hauptbahnhof. Das hat aber jetzt schon geschlossen und öffnet erst morgen wieder. Doch wenn Sie sich beeilen, könnte er vielleicht noch in Pasing im S-Bahn-Häuschen auf dem Bahnsteig sein.“
Also auf nach Pasing! Und welch ein Glück: Schon durch das Fester der MVV-Kabine sah ich ihn stehen. Aber würde man ihn MIR überhaupt aushändigen? Die Lösung ließ mich staunen. Der Beamte fragte: „Gehören Sie zu der Reisegruppe, die am Flughafen im zweiten Waggon der S2 um 15.30 Uhr eingestiegen ist?“ Perplex bejahte ich – die Überwachung der Bahnsteige hat also doch was für sich! „Er“ und ich durften nun gemütlich nach Vaterstetten fahren.
Selten war ein „Merci“ so von Herzen kommend wie das der Freundin aus Allauch, als sie ihren Koffer endlich in Empfang nehmen konnte.