War es der Farbenrausch, der meine Sinne bei diesem Anblick vernebelte? War es der Duft, der mich alles vergessen ließ? So, dass ich meine gute Erziehung über Bord warf? Oder suche ich jetzt nur eine Entschuldigung, weshalb ich der Verlockung nicht widerstehen konnte? Zugegeben, ich hatte ein extrem schlechtes Gewissen, und habe dementsprechend nicht „sanft geruht“ in der Urlaubswoche.
Das kam so: Wir waren zum ersten Mal mit dem Auto unterwegs in die Provence mit Ziel Allauch. Unterwegs hatten wir leuchtende Mohn- und Sonnenblumenfelder sowie unzählige Ginsterbüsche bewundert, doch was dann auf einer Anhöhe zu sehen war, verschlug uns fast den Atem. Vor uns, seitlich rechts und links erstreckten sich blühende Lavendelfelder, soweit das Auge reichte – tiefes Lila-Blau bis zum Horizont, sozusagen grenzenlos und dazu betörend duftend. Damals, vor über 30 Jahren, war Lavendel in unseren Vaterstettener Gärten noch kaum zu sehen und in diesem Ausmaße sowieso unvorstellbar. Ob man da nicht vielleicht einen Strauß pflücken könnte? Kein Mensch, kein Auto war weit und breit in Sicht – mein Herz klopfte erheblich, als ich zur Tat schritt und bald einen dicken wunderschönen Lavendelstrauß in den Armen hielt. Schnell im Kofferraum verstaut, weitergefahren und tief durchgeatmet, wobei der starke Duft in unserem Auto meinem Mann durchaus nicht angenehm war und mich ständig an meine Missetat erinnerte.
Bei unseren Gastgebern angekommen, luden wir unser Gepäck aus, bevor sie uns zu Hilfe eilen und den Lavendel entdecken konnten, denn das wäre mir extrem peinlich gewesen. Während der folgenden Tage mussten wir unser Auto nicht benutzen, alle Ausflüge waren mit dem Bus organisiert, der in unserer Nähe hielt. So verging mit viel schönem Programm Tag für Tag, und wenn ich beim Heimkommen unser Auto sah, dachte ich sofort an „das Geheimnis im Kofferraum“. Doch wir ließen ihn lieber geschlossen, und ich malte mir in Gedanken aus, wie ich mit diesem traumhaften Lavendelstrauß einen Hauch von Provence auf unsere Terrasse zaubern würde…
Dann kam der Abreisetag, und möglichst unbeobachtet wollten wir unsere Koffer wieder einladen. Doch welch ein Schock, als wir die Heckklappe öffneten: Die heiße provenzalische Sonne auf unserem Kofferraum hatte ihr Werk vollbracht! Der feucht-frische Lavendel war bei sicherlich 40°C und ohne Frischluftzufuhr total verfault! Ob ich enttäuscht war? Eigentlich nicht wirklich – ich war sogar ein klein bisschen froh, dass mein unerlaubtes Tun damit sofort bestraft worden war!
Entsorgt haben wir den Lavendel dann genauso diskret wie gepflückt.