Die Partnerschaft Vaterstetten-Allauch hatte uns gleich von Anfang an interessiert, doch erst 1985 trauten wir uns, Gastgeber für Franzosen aus der Partnerstadt zu werden. Die Kinder waren 8 und 5, wir um die 40 und fühlten uns sehr jung! Wann immer ich an unsere zukünftigen Gäste dachte, sah ich im Geiste ein etwa gleichaltriges Ehepaar vor mir oder eine Mutter mit ähnlich alten Kindern, die bei uns eine Woche verbringen würden. Ich gebe zu, dass ich enttäuscht war zu hören, dass unsere Gäste 2 Damen 65+ sein würden – das kam mir ganz schön “alt” vor. Jetzt – selber Ende 70 und topfit – weiß ich, dass die beiden damals noch SEHR JUNG waren!
Aber dann sagte ich mir, wer “in dem Alter” noch so lange Reisen mit dem Bus macht und bei Unbekannt übernachtet, ist sicher an der Städtepartnerschaft, an Deutschland, an München, an uns interessiert. Und natürlich war es genauso. Rosette aus Château Gombert bei Allauch und ihre Freundin Gilberte aus Marseille waren uns und auch unseren Kindern gleich sympathisch. Als Gastgeschenk hatten die beiden uns ein Santon-Pärchen mitgebracht, über das wir uns sehr gefreut haben. Denn damals gab es noch keine provenzalische Krippe im Rathaus Vaterstetten, und diese wundschön gekleideten Tonfiguren kannten wir noch nicht.
Wir verbrachten eine sehr nette Woche mit vielen Gesprächen zusammen, und als vom 2. Tag an unsere Spülmaschine streikte, hatte ich willige und versierte Helferinnen zur Seite. So manche Leserin wird sich daran erinnern: Gemeinsames Abwaschen führte in der Küche schon immer zu netten Plaudereien und Gelächter und war eigentlich gar nicht “schlimm”! Alles in allem war es eine wunderbare Erfahrung, unsere Gäste wurden zu Freundinnen, und als die Gegeneinladung für uns ausgesprochen wurde, waren wir gleich Feuer und Flamme.
Im Folgejahr machten wir uns also privat auf den Weg, um als 4köpfige Familie bei Rosette “einzufallen”. Ihr Haus war klein, aber am Abend wurde einfach das Wohnzimmer durch ein gemütliches Matratzenlager zu unserem Schlafzimmer umfunktioniert, wo wir alle Platz fanden. Wenn wir nicht wirklich gut geschlafen haben, so lag das an uns bis dato unbekannten lauten Geräuschen, die durch das offene Fenster die halbe Nacht an unsere Ohren drangen. Des Rätsels Lösung: Die gesamten Frösche der nachbarlichen Gärten – alle mit Pool oder kleinem Teich – hatten sich vorgenommen, uns mit einem Konzert zu erfreuen! Doch der nächste Tag ließ das alles schnell vergessen. Es war der 6. Geburtstag unserer Tochter, und Rosette und Gilberte hatten ein wunderbares Verwöhnprogramm für uns geplant – Indianerdorf bei Marseille, Picknick am Waldesrand, Ausflug ans Meer – besser hätte es gar nicht sein können mit unseren “alten” Damen aus der Provence! Und eigentlich wäre die Geschichte hier zu Ende, wenn sie nicht unverhofft noch weitergegangen wäre.
Als ich vor einigen Jahren auf dem Weihnachtsmarkt in Allauch mit einem sehr netten jungen französischen Ehepaar über die schönen Erlebnisse während dieser langen Städtepartnerschaft sprach und auch diese kleine Auftaktgeschichte berichtete, stellte sich heraus, dass Rosette die Großmutter dieses jungen Mannes war. Spontan rief er sie an und ich konnte mit ihr sprechen. Sie erinnerte sich nach den vielen Jahren nicht mehr so genau an die Einzelheiten, aber doch noch an unseren Besuch – 4 Personen, das war doch damals ganz schön happig! Rosette war inzwischen über 90 Jahre, und dieses Telefongespräch nach so langer Zeit war für uns alle ein sehr bewegender Moment.