Sind Sie schon einmal zwischen 04:00 Uhr und 05:00 Uhr morgens durch den Englischen Garten gegangen? Frisch gestylt in Dirndl oder Lederhosn? Den Picknickkorb gefüllt mit Köstlichkeiten, Tischdecke, Geschirr, Besteck, Sektgläsern und Kandelaber? Dann waren Sie sicher auf dem Weg zum Kocherlball, der jedes Jahr am 3. Sonntag im Juli stattfindet. Zwar beginnen Musik und Tanz “erst” um 06:00 Uhr, wenn die ersten Sonnenstrahlen den Biergarten am Chinesischen Turm erwärmen, aber wer einen Sitzplatz haben möchte, dem sei die Ankunft dort spätestens um 05:00 Uhr empfohlen. Welch eine Atmosphäre, wenn in der Morgendämmerung Kerzenlichter die gedeckten Tische erhellen und der erste Kaffee – oder Sekt – getrunken wird!
Dieses Erlebnis wollten wir auch unseren Freunden aus Allauch nicht vorenthalten und animierten die Gruppe vor einigen Jahren, sich um 04:00 Uhr morgens am Maibaum in Vaterstetten einzufinden zur gemeinsamen Fahrt nach München. Nur wenige Franzosen mochten sich so früh aus dem Bett schälen, aber diejenigen, die es geschafft hatten, waren voller Vorfreude und auch etwas ungläubig, dass es Menschen geben soll, die zu so früher Zeit tanzen gehen. Unsere Freundin M. hätte auch sehr gerne teilgenommen, aber da sie nicht mehr die Jüngste war, machte sich ihre Gastfamilie Sorgen, dass es für sie zu anstrengend sein könnte. So blieb sie daheim. Doch als tags darauf die kleine Gruppe der Frühaufsteher von diesem Ereignis berichtete, schwor sie sich, im Folgejahr dabei zu sein.
Und so geschah es. Sie übernachtete am Vorabend bei uns, um ihre Gastfamilie nicht zu wecken, wurde in ein fesches Dirndl gekleidet und auf ging’s. Auch ihr guter Freund, der Maler A. aus Allauch hatte sich dazugesellt. Mit Strohhut, weißem Hemd, schwarzer Hose und der typischen roten provenzalischen Schärpe um den Bauch sah er schon frühmorgens ausgesprochen unternehmungslustig aus.
Im Englischen Garten angekommen, entdeckte man nur vereinzelt menschliche Gestalten. Frühaufsteher wie wir? Oder “Durchgefeierte”? Plötzlich erklang ein kleiner Aufschrei unserer französischen Freunde: Dort in der Ferne, was war denn das? Sie trauten ihren Augen nicht – da waren doch tatsächlich die ersten “Nackerten”, die ihr Bad im Eisbach nahmen – ja sowas! Das hatte man hier in München nicht erwartet!
Im Biergarten erlebten wir die nächste Überraschung: Es war schon total voll, nur noch wenige Tische standen zur Auswahl! Als um Punkt 06:00 Uhr die Musik begann, strömten alle auf die Tanzfläche, und wunderschöne neue und alte Trachten waren zu bewundern. Während wir versuchten, die angesagten Schrittfolgen richtig einzuhalten, gab es bei unseren Freunden aus Allauch ein herrliches Durcheinander, insbesondere bei der “Münchner Francaise”. Unsere strahlende Freundin M. mit ihrem tollen weißen Zopf und der schicke Provenzale A. mit seiner roten Schärpe wurden von allen bewundert – sie waren die heimlichen Stars des Kocherlballs!