Wünschelrutengängerin ohne Wünschelrute

Schon mehrmals war ich mit dem Allauchverein in unsere Partnerstadt nach Südfrankreich gefahren und hatte bei einer etwas chaotischen, aber reizenden Gastgeberin, die zudem sehr gut kochen konnte, Unterkunft gefunden. Doch in diesem Jahr war die Dame selbst verreist und so sollte ich die Woche bei einer anderen, unbekannten Gastfamilie verbringen. Natürlich war ich ein bisschen aufgeregt und gespannt, wer mich bei unserer Ankunft erwarten würde. Schon nach der Begrüßung war klar, „die Chemie stimmte“. Es gab Gesprächsstoff über gemeinsame Interessen, die Kinder waren in ähnlichem Alter und meine Gastgeber bemühten sich meistens, langsam und deutlich zu sprechen.

Zuhause angekommen präsentierten sie mir stolz das kürzlich fertiggestellte Studio, in dem ich mich ungestört ausbreiten könnte. Es handelte sich dabei um einen geräumigen, dem Haus vorgelagerten unabhängigen Ein-Zimmer-Anbau mit eigener, abschließbarer Tür.

Endlich im Bett, lag ich lange wach, vermutlich den neuen Eindrücken und dem üppigen Abendessen geschuldet. Und aus dem Schlaf schreckte ich immer wieder auf – daran waren wohl die ungewohnten Geräusche aus dem Garten schuld. Hatte ich die Tür abgeschlossen? Eigentlich bin ich kein ängstlicher Mensch, das konnte doch nicht der Grund für meine Schlaflosigkeit sein.

Leicht gerädert verbrachte ich den nächsten Tag und hoffte darauf, nach einem intensiven Ausflugstag erholsameren Schlaf zu finden. Doch weit gefehlt – weder in dieser noch in den nächsten Nächten gelang es mir, gut ein- und durchzuschlafen.

Ziemlich überdreht und nicht wirklich erholt fuhr ich wieder nach Hause. Als ich im nächsten Jahr den Wunsch äußerte, wieder bei meiner ursprünglichen Gastgeberin untergebracht zu werden, wurde ich erstaunt gefragt, warum ich denn nicht ins „Studio“ wollte. Natürlich wollte ich nichts Negatives über das neue Studio sagen, auf das die Gastgeber sehr stolz waren. Eh ich mich’s versah, ohne darüber nachzudenken, schoss mir eine abstruse Ausrede durch den Kopf und ich hörte mich zu meinem eigenen Erstaunen sagen: “Verläuft unter dem Studio vielleicht eine Wasserader? Damit hatte ich schon öfter Probleme.”

Meine französischen Freunde schauten mich ziemlich irritiert an ob dieser Überlegung. Allerdings, den Garten aus eigenem Brunnen zu gießen, war schon eine verführerische Idee. Sie machten sich tatsächlich mit dem Spaten ans Werk und – o Wunder – bereits der erste Grabungsversuch hinter dem Anbau war erfolgreich!

Seitdem genieße ich bei französischen Bekannten den Ruf, Wasseradern aufspüren zu können, ganz ohne Wünschelrute!

Übrigens sind die Kinderzimmer bei meinen Gastgebern längst frei und ich schlafe jetzt in Allauch sehr gut – im Haupthaus.